Die Betriebsrätinnen und Betriebsräte der Caritas St.Pölten starten im Herbst 2013 eine Initiative, welche das Thema „Wertschätzung“ in den Brennpunkt rückt.

Jetzt könnte jemand sagen: „Was soll das wohl werden, ein Projekt zum Thema Wertschätzung. Wir arbeiten ,eh‘ in der Caritas. Wo soll Wertschätzung passieren, wenn nicht hier, wo der Mensch so und so im Mittelpunkt steht?“

Grundsätzlich richtig und doch – vieles das zu offensichtlich ist, wird nicht bewusst wahrgenommen. Was nicht bewusst wahrgenommen wird, verschwimmt und verschwindet unter Umständen. Außerdem kann das Unternehmen Caritas dem ansteigendem Druck des „Schneller, Mehr und Billiger“ nur bedingt ausweichen. Dieser vermehrte Druck macht Angst und führt unter Menschen häufig zu Missverständnissen, Kommunikationsproblemen und in der Folge zu fehlender Wertschätzung.

Wir Betriebsräte wollen darum Stimmung machen für Wertschätzung. Für welche Wertschätzung? Es gibt Wertschätzung zwischen den KollegInnen, Wertschätzung in und zwischen den verschiedenen (Führungs-)Ebenen, Wertschätzung gegenüber der Organisation als solcher und Wertschätzung von der Organisation an die MitarbeiterInnen – und die Liste ist noch nicht fertig. Wertschätzung gibt es also in vielen möglichen Konstellationen und Richtungen.

Auffällig ist, es handelt sich immer um Begegnungen – keine Begegnung, keine Wertschätzungsmöglichkeit. In einer Zeit, in der alles ganz schnell gehen muss, werden Begegnungen nur geduldet, wenn sie sich offensichtlich „rechnen“. Das ist in einem Dienstleistungsunternehmen nicht einfach zu berechnen. In einem Produktionsbetrieb ist erkennbar, welcher Teile es bedarf, um ein Werkstück herzustellen. Es braucht immer die gleichen Teile und ist damit gut kalkulierbar. Darum ergibt es Sinn, Arbeitsabläufe zu straffen, zu optimieren und Stehzeiten einzusparen. In einem Dienstleistungsbetrieb braucht es Gestaltungsraum um auf die jeweilige Situation angemessen reagieren zu können. Das „Werkstück“ in der Arbeit mit Menschen ist nicht gleich geformt, es ist nicht nach Bestandteilen kalkulierbar. Einschränkungen bei Begegnungen führen dazu, dass Menschen einander nicht kennen lernen, kein Vertrauen zueinander aufbauen können, ihr Arbeitsumfeld mit den Abläufen zu wenig kennen und somit der wichtige Faktor für das Gelingen von gut erbrachten Dienstleistungen – nämlich vertrauensvolle und wertschätzende Atmosphäre – nicht entstehen kann. Wiederholte negative Erfahrungen dieser Art demotivieren Menschen und schädigen längerfristig die Gesundheit der MitarbeiterInnen und den Erfolg des Unternehmens.

Was sich „rechnet“, ist nicht immer offensichtlich erkennbar. Ein freundliches Gespräch am Gang kann als überflüssig – da keine Zeit – angesehen werden, andererseits könnte ein entspanntes Gespräch viele Neben- und Synergieeffekte haben, die nicht vorauskalkulierbar sind und dennoch ganz viele „Umwege“ – die mehr Zeit und mehr Geld kosten – ersparen.

Diese kurze Überlegung zeigt bereits, wie vielfältig der Begriff Wertschätzung ist und wie viele Bedeutungen damit verbunden sind. Uns ist es ein Anliegen, deutlich zu machen, welche Bedeutung Wertschätzung hat und warum wir als Betriebsratsgremium das Augenmerk darauf richten.

Wir kamen zu folgenden Ergebnissen: Wertschätzung braucht Begegnung und ist ein wichtiger Teil einer gelungenen Kommunikation. Dennoch, es ist ganz deutlich – Wertschätzung kann nicht befohlen werden, genauso wie echte Freundlichkeit nicht befohlen werden kann. Wer könnte eine Listenführung, Arbeitsanweisung oder ein Kontrollinstrument erdenken, das tatsächlich zu einem solchen Verhalten zwingen kann? Bestenfalls kann es zu einem „SoTunAlsOb“ führen, und das kann nie das Geschenk der wirklich wertschätzenden Begegnung ersetzen. Höflichkeitsformen können vorgegeben und nachgemacht werden, doch das schafft keine wohlwollende Atmosphäre, in der Menschen gut leben und arbeiten können.

Es gibt Faktoren, die ein wertschätzendes Verhalten begünstigen, und Faktoren, die das verhindern. Was braucht es, damit wir wertschätzend miteinander umgehen?

Folgende sieben Faktoren sind unserer Meinung nach erforderlich, um eine Atmosphäre der Wertschätzung entstehen zu lassen:

  • Vertrauen – Vertrauen ist besser als Kontrolle

  • Wohlwollender Umgang  – in Worten, Mimik und Gesten

  • Konstruktive Kritik – Ohne Fehler keine Weiterentwicklung

  • Zeiträume – Schnelligkeit ist kein Qualitätsmaßstab

  • Begegnungsräume – Wertschätzung braucht Begegnung

  • Gestaltungsfreiräume – Gute Dienstleistung braucht situationsgerechtes Handeln

  • Nachhaltigkeitsdenken – Nicht jetzt sparen und später „drauf“-zahlen

Wertschätzung ist eine Grundhaltung, die ein Mensch an der Stelle, an der er/sie steht, verwirklichen kann – oder eben, wenn wichtige Faktoren fehlen, nicht verwirklichen kann.

Im Zuge unserer Initiative werden wir Impulse setzen die diese Faktoren und ihre Auswirkungen vertiefend erläutern. Unser Ziel ist es, das Bewusstsein für das Gelingen oder auch für das Nichtgelingen von Wertschätzung in der Caritas zu stärken, sodass Wertschätzung zu einem Thema wird, das uns allen „ausgesprochen“ wichtig ist.

 


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